LIEDER DIE WIE BRÜCKEN SIND 

 Singen in der Trauer

 

Auszüge der Abschlussarbeit zur Fortbildung von Alwine Deege

„Zusatzqualifikation in Trauerbegleitung“
mit Dr. Ruthmarijke Smeding nach ihrem Modell „Trauer erschließen“

Lieder, die wie Brücken sind  – Singen in der Trauer

Nach meiner zweijährigen Ausbildung bei Dr. Ruthmarijke Smeding als Trauerbegleiterin schrieb ich meine Abschlussarbeit zum Thema „Singen in der Trauer“. Darin habe ich die drei Gezeiten (Phasen) der Trauer beschrieben und mit Liedern und Musiken verbunden, die in der jeweiligen Zeit heilsam sein können. Die Lieder haben sich seit damals im Jahr 2000 verändert und ich habe in den letzten 19 Jahren viele neue Abschiedslieder gefunden. Man kann sie auf den Fährfrauen CDs „Die Fährfrauenlieder“ und „Weitere FährfrauenLieder“ finden. Bestellung und Hörproben im Internetshop HIER 

Die vielfältigen Musiken, die man bei einem Abschied spielen kann werden ebenfalls hier bei mori verlinkt und können so angehört werden.

Trauer als verwandelte Kraft

Allgemeines über Trauer

„Der Verlust eines geliebten, mit uns verbundenen Menschen durch Tod erfahren wir sicherlich in seiner Konsequenz am radikalsten. Unser ganzes Wesen wird von dem absoluten Ende des irdischen Daseins auf allen Ebenen, in sämtlichen Lebensbereichen berührt. Dieser Abschied stellt eine Grenzsituation des Lebens dar und erschüttert unser gesamtes Selbst- und Weltverständnis. Die Konfrontation zwingt uns zur Wandlung und fordert uns zur Selbstverwirklichung angesichts der Veränderung heraus.

Dazu ist die Trauer als verwandelnde Kraft unabdingbar. Sie ist die Emotion, durch die wir Abschied nehmen und Konflikte der vergangenen Beziehung nachträglich bewältigen lernen. Sie dient der Integration des Verlorenen, dem, was den trauernden Menschen an die Person und die Beziehung gebunden hat. Voraussetzung ist die Annahme des Schmerzes und ein Einlassen auf das Emotionschaos. Nicht nur Kummer und Verzweiflung sondern auch Zorn, Schuldgefühle, Aggressivität und sogar Erleichterung gehören zu den aufbrechenden Gefühlen.

Indem der Mensch die Sprache der Seele als natürliche Trauerreaktion zulässt, schafft er die Möglichkeit, den Schatz, der hinter der Trauer liegt, zu heben: ein Mehr an Lebendigkeit und Lebensqualität, eine reifere Identität mit mehr Lebensperspektive. Die Ankunft des Neuen ereignet sich dann, wenn Ordnung in das Gefühlswirrwarr kommt, es zur Ruhe kommt.“

Amina Ch. Karge  (aus ihrer Seminarbeschreibung)

Trauer ist keine Krankheit sondern eine natürliche Reaktion. Sie ist eine Kraft, die uns hilft, einen Verlust zu verarbeiten und  etwas Neues in unserem Leben zu begrüßen. Trauer ist wie Freude eine Grunderfahrung des Menschen, sie ist Teil des menschlichen Lebens. Abschiede gehören wesensmäßig zu uns, unser Leben ist geprägt von Abschieden. Trauer ist eine heilsame Antwort eines lebendigen Menschen auf Abschiede und Trennungen. Trauer ist eine natürliche Lebensäußerung, die ausgedrückt, gehört, gesehen und mitgeteilt werden will. Trauer hat viele Erscheinungs- und Ausdrucksformen – und sie äußert sich so individuell, wie auch die Menschen sind. Trauer hat eine große Bedeutung für die psychische Gesundheit. Ziel der Trauer ist die Versöhnung mit dem Leben.

 

„Die Trauer ist die Emotion, durch die wir Abschied nehmen und so viel wie möglich von der Beziehung und von den Eigenheiten des Verstorbenen integrieren können,- so dass wir mit einem neuen Selbst,- und Wertverständnis weiterzuleben vermögen“

– Verena Kast –

Was ist Trauerbegleitung?

In der Trauerbegleitung geht es darum, der Trauer Aufmerksamkeit, Raum und Zeit zu geben. Um unsere Trauer zu durchschreiten, zu bewältigen und zu leben braucht es manchmal Unterstützung und Hilfe um die eigene Trauerfähigkeit wieder zu erlernen. Es geht  darum, in unserer Trauer wieder an unsere eigene Kraft zu kommen, unseren Lebensbrunnen zu aktivieren um aus unserer inneren Quelle gestärkt diese krisenhafte Zeit zu überstehen und verwandelt aus ihr hervorzugehen. Zum Ausdruck gebrachte Trauer und persönliche Abschiedsrituale können den Hinterbliebenen vor der Erstarrung bewahren. Wir haben ein Recht auf unsere Trauer, auf unsere Tränen, auf unsere Trauerzeit und Trauerstille. Durch das Zulassen der Trauer, das spiralenförmige Durchgehen durch diese Erfahrung wird die eigene Energie freigesetzt. Es geht darum, in die eigene Kraft zu kommen.

Einen für mich „idealen“ Umgang mit Trauer und Schmerz beschreibt Rainer Maria Rilke:

„Die Zeit tröstet ja nicht, wie man oberflächlich sagt, sie räumt  höchstens ein, sie ordnet…
Nicht sich hinweg trösten wollen über einen Verlust müsste unser Instinkt sein, vielmehr müsste es unsere tiefe schmerzhafte Neugierde werden, ihn ganz zu erforschen, die Besonderheit , die Einzigartigkeit gerade dieses Verlustes, seine Wirkung innerhalb meines Lebens zu erfahren…
Dies ist dann unendliche Leistung, die alles Negative, das dem Schmerz anhaftet, alle Trägheit und Nachgiebigkeit, die immer Teil des Schmerzes ausmacht, überwindet, dies ist tätiger, innen-wirkender Schmerz, der einzige, der Sinn hat und unser würdig ist“ – R. M. Rilke

Wir können lernen, Traurigkeiten mit Vertrauen zu ertragen, mitten hindurchzugehen. Denn auch wenn wir Trauer  nicht mögen – bleibt uns der Weg zum Leben nur durch ihre Räume.

„Das Tabu um das Sterben ist in den letzten Jahren aufgehoben worden, man darf vom Sterben sprechen. Es scheint mir an der Zeit, dass man jetzt auch das Tabu um das Trauern aufhebt, das man trauern darf und soll!“
Verena Kast

Begleiten heißt mitgehen, nicht vorgehen. Begleiten heißt, den Trauernden unterstützend folgen, wenn dieser auf seine Weise  seinen Trauerweg geht und auf seine Art trauert. Wir können als Begleiter auch mal unsere Gedanken und Meinungen sagen und Anregungen geben, der Trauer zum Ausdruck zu verhelfen, aber in erster Linie muss der Trauernde seinen ureigenen Weg finden und gehen und wenn er dabei Liebe, Unterstützung und Akzeptanz erfährt, kann er erfahren, dass alles zu seinem Leben gehört und angenommen und gelebt werden will und sich dadurch verwandelt .

Lieder in der Trauer

Wie können wir Menschen ermutigen und begleiten, die einen Trauerweg gehen müssen, wie können wir  als Begleiter Menschen in dieser krisenhaften Zeit beistehen und ihnen helfen, ihre Trauer auszudrücken und ihre eigene, innere Kraft wiederzufinden?

Ich möchte in dieser Arbeit einen Zugang zur Trauer beschreiben, der für mich sehr wichtig ist: das Singen und Tönen, die Musik.

Lieder vermögen Brücke zu sein …

… zu meinem Inneren zu meinen Gefühlen, zu meinem inneren Wissen, zu meiner Kraft

… zu den Menschen die mit mir sind, die mich lieben, die mit mir trauern, „Ich bin nicht allein, ich werde mitgetragen und aufgefangen“

… zu dem Verstorbenen

… zur geistigen, spirituellen Welt Brücke zwischen Himmel und Erde

Was Singen und Tönen für diese vier Bereiche bedeuten kann, möchte ich in dieser Arbeit beleuchten. Dabei werde ich mich weitgehenst auf meine eigenen Erfahrungen und die der mir bekannten Menschen beziehen, da ich in der Literatur nichts speziell zum Thema „Singen in der Trauer“  gefunden habe. ( Die Arbeit schrieb ich 2000 – inzwischen gibt es Literatur zum Thema)

Seit vielen Jahren leite ich Gruppen und Seminare in der Hospizarbeit und ich singe mit Menschen in offenen Singkreisen, in Singseminaren, auf Singreisen und in spirituellen Singnächten. Ich schöpfe aus einem großen Liederschatz, es sind Herzens – und Seelenlieder aus verschiedenen Kulturen. Manche Lieder umgeben das Herz mit Weite und Leichtigkeit, andere zentrieren, bringen Ruhe und Vertrauen oder geben ein Gefühl der Gemeinschaft und  schenken Lebensfreude.

Ob sanft oder kraftvoll, meditativ oder bewegt, ob aus Afrika, von den Indianern, aus Hawai oder Taizè – alle Lieder sind sehr einfach zu lernen und setzen keinerlei Vorkenntnisse voraus.

Die gesungenen Lieder können uns berühren und verbinden und uns daran erinnern, dass da etwas ist, das größer ist als wir. Sie lassen uns unsere Lebendigkeit fühlen, mit allem, was wir sind. In guten wie in schlechten Zeiten  können spirituelle Lieder wertvolle  Wegbegleiter sein  und  uns  zu unserer Mitte, zu  uns selbst führen und  das Vertrauen in unseren Weg  stärken.

Das gemeinsame Singen  von Kraftliedern kann in allen Lebenslagen Inspiration und Hoffnung schenken, es ist eine wunderbare Möglichkeit, sich der eigenen „Urkraft“, seiner inneren „Weisheit“ wieder bewusst zu werden.

 

Singen rührt die Gefühle an

Beim Singen dieser Lieder in meinen Gruppen erfuhr ich, wie bei manchen Menschen Gefühle angerührt wurden, die verborgen waren oder dem Sänger nicht so bewusst: Berührtheit, Tränen, Traurigkeit und  Schmerz traten zutage, ohne dass es beabsichtigt war, an diese Gefühle zu rühren. Meistens konnten diese Sänger dann nicht weitersingen und ich erfuhr auch  in weiteren Gesprächen mit Trauernden, dass gerade in akuter Trauer die Stimme beim Singen versagt oder weinerlich wird, dass ihnen kraftvolles Singen nicht möglich ist. Ähnlich erlebe ich es auch bei mir selbst, dass bestimmte Töne und Lieder meine Tränen hervorbringen und die Stimme versagt.

Doch beim Zuhören, wenn Andere singen oder beim Hören von entsprechender Musik können unsere Gefühle ins Fließen kommen. Und das kann so wertvoll sein, endlich weinen zu können. Diese Erfahrungen haben mich dazu gebracht, einen Abschiedschor zu gründen. In Aachen initiierte ich den Chor der „Fährfrauen“. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, mit unseren Liedern  Abschiede würdevoll und individuell zu gestalten und die Trauergemeinschaft zum Mitsingen einzuladen. Dieser Abschiedschor fand im Raum Aachen großen Anklang und mittlerweile auch in anderen Städten Nachahmung. Meine Erfahrungen mit dem Singen spiritueller heilsamer Lieder an den Schwellen und Übergängen des Lebens haben mir gezeigt, wie wertvoll das gemeinsame Singen in solchen Zeiten ist.

Klagegesänge in anderen Kulturen

In anderen Kulturen gibt es Gesänge, die das Klagen und Schreien erlauben und herausfordern, Lieder, die eine Erlaubnis geben, allen Schmerz, alles Leid hinauszurufen, laut zu klagen und zu dem tiefsten Ort des Schmerzes vorzudringen. Bei dem gewaltsamen Tod zwei kurdischer Kinder, die ich bei meiner Arbeit in einem sozialen Brennpunkt betreut hatte, erlebte ich, wie befreiend und erlösend die Klagegesänge der Frauen  waren. In den Tagen nach dem Tod versammelten sich viele Verwandte und Bekannte in dem Trauerhaus und sangen viele Stunden immer wieder diese Lieder. Obwohl ich die Worte nicht verstand verspürte ich doch die sehr befreiende Wirkung dieser Ausdrucksform. Alle konnten mitweinen, laut und hemmungslos, es war kein unterdrückter, leiser Schmerz sondern das Unfassbare wurde hinausgeschrien.

Leider gibt es in unserer Kultur nicht solche Gesänge. Und auch wenn wir versuchen würden, diese Umgangsformen aus fremden Kulturen auf unsere Gesellschaft zu übertragen, so ist es doch nicht unsere eigene Tradition, unsere eigene Kultur. Der griechische Trauerforscher und Trauerbegleiter Jorgos Canacakis erzählt in seinem Buch  „Ich sehe deine Tränen“ von einem alten Ritual mit dem Namen“ Myroloya“ in Südgriechenland. Das sind Klagegesänge in Gedichtform, die heute noch nach dem Tod eines Dorfbewohners von „Klageweibern“ gesungen werden. Meiner Meinung nach ist es nicht oder kaum möglich, diese Trauergesänge aus anderen Kulturen auf unsere Trauerkultur zu übertragen, da sie bei uns nicht allgemeinbekannt sind und daher nicht von der Gemeinschaft getragen und gesungen werden können. Solche Trauergesänge, die das Klagen und Schreien erlauben, haben wir in unserer Kultur nicht. Und wenn ich mit Trauernden über die Möglichkeit des Singens spreche, sagen mir die Meisten, dass es ihnen nicht möglich war, in sehr großer Trauer zu singen, da  sie dadurch sofort an ihre Tränen kommen und unfähig sind   weiter zu singen. Erst zu einem späteren Zeitpunkt auf dem Trauerweg ist es möglich, auch selbst Lieder zu singen.

Trotzdem schreibe ich diese Arbeit über das Singen in der Trauer. Dabei beziehe ich mich hauptsächlich auf meine eigenen Erfahrungen.

 

Was das Singen in der Trauer vermag

Gemeinschaft und Verbindung

Ich habe schon oft erfahren,, dass akut  trauernde Menschen in der Gemeinschaft von singenden Menschen getragen und aufgefangen werden können und dass sie sich durch den Gesang von bestimmten Liedern verbunden fühlen mit den Menschen, die singen. Auch wenn  Menschen in ihrer akuten Trauer selbst nicht singen können, vermögen Lieder eine gemeinsame Atmosphäre zu schaffen und das Singen hat die Kraft, eine Gemeinschaft zu erzeugen. Ich erlebte oft, bei Beerdigungen, Abschieden und in meinen Gruppen, das Singen den Menschen gut tut und das schnell, auch mit noch nicht vertrauten Menschen eine Verbindung entsteht, die tragen und öffnen kann.

Meditation und Entspannung

Meditative Lieder wie Chants und Mantras können entspannen. Menschen finden in den sich immer wiederholenden einfachen Melodien zur Ruhe, zu ihrer inneren Mitte, zu sich selbst und den innewohnenden Gefühlen.

Zugang zu den Gefühlen

Töne und Lieder können unser Innerstes direkt berühren und in Schichten unserer Seele eindringen, die Worte kaum erreichen können. Ich erfahre häufig, das Menschen das Singen als eine Möglichkeit entdecken, zur eigenen Gelassenheit, Ruhe und zu den Gefühlen zu kommen. Töne gehen direkt nach innen, zum Zentrum und vermögen hervorzuholen, was in uns „wohnt“, sie führen unmittelbar zu dem, was in uns lebt und schwingt.

Zugang zur inneren Kraft

Durch das Singen der Lieder fühlen Menschen ihr eigenes Kraftpotential wieder. Singen  ist eine wunderbare Möglichkeit, sich seinem eigenen inneren Wissen, seiner „Urkraft“ seiner inneren „Weisheit“ wieder bewusst zu werden. Singen kann eine Kraftquelle sein, durch die wir wieder belebt werden und „auftanken“ können.

 

Erfahrung von Spiritualität

Diese innere Kraft wird bei vielen als spirituelle Kraft erlebt. Ein großer Teil der Lieder, die ich  weitervermittle, „sind Ausdruck einer Erdreligion, einem Bewusstsein darüber, dass alles Leben auf und mit der Erde heilig ist, dass das Göttliche dem Erdenleben innewohnt, und dass es diese Kraft nicht nur im Außen, sondern vor allem im eigenen Sein zu entdecken und durch sich selbst auszudrücken , hindurchzutönen, gilt“            Gila Antara

 

„Musik ist die Verbindung von Himmel und Erde und ein göttlicher Ausdruck seiner schöpferischen  kreativen Möglichkeit. Sie ist eine Brücke zwischen Materie und Feinstofflichem.
Sie kann den Menschen in die Geistigkeit bringen, ihm klar machen, woher er kommt und wohin er geht. Den Sinn unseres Lebens, wenn es denn einen gibt, vermitteln.
Logischerweise ist dieser Versuch durch intellektuelle Maßnahmen zum Scheitern verurteilt. Die geistige Dimension unserer Existenz ist nicht mit Worten zu formulieren und zu verstehen. Und doch gibt es ein Medium, bei dessen Berührung uns intuitiv klar wird, was mit dem „Unaussprechlichen“ gemeint sein könnte: die Musik, das Singen. Eine nicht begreifbare Schwingungsebene, die auf materieller wie emotionaler Ebene auf uns wirkt.
Als Brücke zum Geistigen finden wir durch sie zur inneren Harmonie und zu einer größeren Bewusstheit.
Die Klänge, Schwingungen und Töne sind die Vermittler zwischen den geistigen und materiellen Welten. In der Begegnung mit Musik kann ich religiösen Glauben als persönliche Erfahrung erleben.
Die spirituelle Kraft ist eine natürliche Energie, die jedem Menschen eigen ist, folglich verlangt sie nach Nahrung, um wirken zu können“ – Michael Reiman – Auszug aus „Himmlische Klänge, Connection medien GmbH.

Für mich und für viele, die sich regelmäßig  mit mir zum Singen treffen, ist das Singen die erste und direkteste Möglichkeit geworden, unserer “ spirituellen Kraft“ Nahrung zu geben. Viele Menschen fühlen  sich nicht mehr in den Gottesdiensten und bei den kirchlichen Ritualen „zu Hause“ und haben nun  im Singen  etwas  gefunden, das ihr religiöses Bedürfnis erfüllt. Mehr als Worte vermögen für mich diese Lieder an diese geistige Kraft und spirituelle Welt zu erinnern, ohne in feste Glaubensformen und Religionen einzuengen.

„Das Ego tritt in den Hintergrund, der Sänger wird zum Medium, durch das eine höhere Kraft hindurchfließt und er betrachtet sich als Bote erhabener Energien. Ob man sie nun „Gott“, „Wahres Wesen“ oder „Schöpferkraft“ nennt, ist einerlei und durch seine Kultursprache bedingt“ – M. Reimann aus “ Himmlische Klänge.   

In meinen Gruppen werden diese Lieder sowohl von Christen, Buddhisten, „Esotherikern“ wie auch von Nichtgläubigen gesungen, von alten und jungen Menschen.

 

Die religiösen Bedürfnisse Trauernder

Gerade beim Erleben des Todes werden Menschen sehr an die existentiellen Fragen des Lebens geführt: Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Was kommt nach dem Tod? Gibt es etwas außer unserer materiellen Welt? Gerade in der Trauerzeit können spirituelle und religiöse Antworten sehr viel Halt geben. Ich erlebe, dass nichts  so sehr unsere religiösen Bedürfnisse weckt, unseren Glauben oder Glauben wollen hervorholt, wie die Erfahrung von Sterben und Tod.

Oft sind aber gerade dann vorgefertigte und einengende Sprüche, Gebete, vorgefertigte Antworten und herkömmliche Rituale nicht das, was Menschen in dieser Situation brauchen. Viele Menschen haben überhaupt keinen Bezug mehr zu kirchlichen Traditionen und können mit den  kirchlichen Antworten und Ritualen angesichts des Todes nicht mehr viel oder gar nichts anfangen. Trotzdem gibt es ein religiöses Bedürfnis, ein „Glauben wollen “ dass da noch etwas ist, das trägt, dass es noch etwas gibt, das uns über dieses Leben, über diese irdische Welt hinausträgt.

Dann können solche Lieder, die an die geistige Welt erinnern, tragen und trösten, in manchen Momenten sogar über das Schwere hinweghelfen und den Verlust annehmen lernen. Alles in einen größeren Zusammenhang sehen zu können, das Leben in einen großen Plan eingebettet zu wissen, einem Schicksalsglauben sich ergeben zu  können und mit einem Vertrauen in eine höhere Macht leben zu können, das ist für viele Menschen, denen ich in der Trauer begegnete, ein wirklicher Trost, eine tiefe innere Kraft.

Auch wenn dieser Glaube nicht das Trauern-müssen und den Schmerz erspart, so ist es doch unendlich wertvoll, eingebettet zu sein in ein größeres Ganzes, in ein Glauben- können und Getragen- werden. Ich durfte in meinem Leben immer wieder diese Geborgenheit erfahren und ich bin dankbar für dieses Urvertrauen, daß mich auch und gerade in schweren Zeiten trägt und hilft. Und darum ist es mir so wichtig dazu beizutragen, dass Menschen  durch das Singen vielleicht auch diese wertvolle Verbindung zur göttlichen Kraft oder geistigen Welt erfahren können.

Lieder für die Trauer-Gezeiten

Ich möchte im nächsten Kapitel Gelegenheiten aufzeigen, bei denen ich in der Trauerzeit  Lieder  hilfreich und passend erlebe. Dabei lege ich die Gezeiten des Trauerns zugrunde, die meine Ausbilderin Dr. Ruthmarijke Smeding in ihrem Modell „Trauer erschließen“ beschreibt. Diese Trauer-Gezeiten sind nicht als feste, aufeinander folgende Zeiten zu verstehen sondern können sich in der Trauerzeit abwechseln und sich wiederholen. Der Trauerweg verläuft spiralförmig, d.h. der Trauernde durchläuft immer wieder die gleichen Gefühle, aber es geht höher hinauf, es wird jedes mal ein Stück leichter. In diesen Zeiten können bestimmte Lieder hilfreich und tröstlich sein, sie können den Trauernden  in seinem Trauerprozess unterstützen, Kraft geben und die Gefühle verstehen oder hervorholen. Dabei wird der Trauernde in der „Januszeit“ wahrscheinlich noch nicht selbst singen können, da  das Singen sehr schnell zum Weinen führen kann. Diese Lieder können aber den Trauernden mittragen, wenn sie in  der Gemeinschaft von Angehörigen und Freunden, z.B.  bei der Beerdigung gesungen werden. Erst zu einem späteren Zeitpunkt, in der Labyrinth,- oder Regenbogenzeit kann das eigene Singen möglich sein und Ausdruck von Gefühl und Überzeugungen und Zugang zur inneren Kraftquelle und Mitte werden.

Lieder als Wegbegleiter durch die Trauer

Im folgenden Kapitel beschreibe ich nun die Gezeiten der Trauer und welche Lieder in diesen Zeiten Wegbegleiter sein können. (da sich die Lieder in den 19 Jahren bei mir sehr verändert haben, sind sie nicht mehr hier aufgezeigt sonden auf den Fährfrauen CDs zu hören- LINK

Die Januszeit

Beginnen möchte ich dieses Kapitel mit einem persönlichen Traum, in dem deutlich wird, welche  Rolle das Singen in der Zeit direkt nach dem Tod eines Menschen haben kann.

Mein Traum am 1.11.99

Auf dem Weg ins Paradies
Ein schlimmer Unfall ist geschehen. Auf einer Strasse ist ein Unfall geschehen, wahrscheinlich eine Massenkarambolage. Ich sehe zuerst nur einen Verletzten. Überall stehen Menschen herum und ich realisiere noch gar nicht das Ausmaß des Unglücks. Dann treten einige Menschen zur Seite und ich sehe eine große Anzahl schwerverletzter, blutüberströmter und wahrscheinlich auch toter Menschen. Es ist ein schrecklicher Anblick und ich bin taten,- und sprachlos. Ich weiß nicht was ich tun kann, um auf dieses grauenvolle Bild zu reagieren. Dann kommen Sanitäter, Helfer, Schwestern… und packen an. Während sie die Verletzten und verstorbenen Menschen auf Tragen legen und versorgen – SINGEN SIE. Sie singen im Chor, mehrstimmig, ein wunderschönes Lied – vom Paradies, vom Weg ins Paradies.

Es ist eine so erlösende, befreiende und wunderbare Art und Weise, diesem Schrecken zu begegnen. Und obwohl ich denke: Aber sie leben ja vielleicht noch und sind nicht alle auf dem Weg zum Paradies, wird mir dann klar: Doch, wir sind alle unterwegs zum Paradies! Und ich denke: Ihr Menschen, die ihr da auf der Straße liegt, auch wenn es grauenhaft, wie ihr da verletzt und mit Schmerzen am Straßenrand liegt – Es ist nur ein Übergang!

Ihr seid unterwegs zu einem schöneren Ort, zu einem besseren Zustand. Hört auf diesen wunderschönen Gesang, der wie eine Brücke sein kann zu diesem Paradies. Hört auf diese Töne, die wie ein Vorbote sind von dem, was euch erwartet. Ob ihr nun schon gestorben seid oder sterben werdet – ihr seid alle frei, eure Seele kann fliegen, sie ist frei um dieses Schreckliche zu verlassen. Wir sind alle auf diesem Weg und früher oder später wird es jedem von uns so gehen, dass wir unseren Körper verlassen müssen, – Aber das ist nicht alles,- es ist nur ein Ausschnitt, ein kurzer Abschnitt,- dann kommt etwas Neues, Lichtvolles, Wunderschönes…“

Deutlich wird in diesem Traum, dass nicht die direkt Betroffenen, die Trauernden singen, sondern die Sanitäter und Helfer. So denke ich, dass auch eher die Menschen um den Trauernden herum in der Schleusenzeit  im Gesang dem Trauernden etwas zeigen oder vermitteln können. In der allerersten Zeit nach dem Tod eines geliebten Menschen reagieren die Menschen meistens mit einem Schock. Sie können und wollen es noch nicht wahrhaben, nicht begreifen, dass der Mensch, der zu ihrem Leben gehörte, nun endgültig gegangen ist. Um dies zu begreifen im wahrsten Sinne des Wortes ist es von großer Bedeutung, zu realisieren, dass der Mensch tot ist. Dabei ist es wesentlich, den Verstorbenen zu sehen, ihn zu berühren um zu „begreifen“, dass der Körper nun ein Leichnam ist.

 

Aufbahrung

In den ersten Stunden und Tagen nach dem Tod ist es sehr wichtig und für den weiteren Trauerprozess von großer Bedeutung, wenn  der Trauernde seinen geliebten Verstorbenen in würdevoller, ruhiger und “ schöner“ Atmosphäre sehen und einige Zeit mit ihm sein kann. Eine Aufbahrung des Toten kann zu Hause bis zu 36 Std. nach dem Tod möglich sein, darüber hinaus mit einer Genehmigung vom Ordnungsamt auch länger. Auch im Altenheim und Krankenhaus sollte diese Möglichkeit des Abschiednehmens eingefordert werden. Immer mehr  Häuser verfügen über einen Abschiedsraum. Aber es ist auch schon mit wenig Mitteln ein bewusster und würdiger Abschied in Institutionen möglich. In manchen Altenheimen ist es üblich, dass unmittelbar  nach dem Tod eines Bewohners alle Mitbewohner, Pfleger/innen und Angehörige, die Abschied nehmen möchten, sich um das Bett des Verstorbenen versammeln um ein Ritual miteinander zu feiern. Und in den Tagen danach gibt es eine kleine Abschiedsfeier auf der Station mit dem Priester, in der gemeinsam mit allen Mitbewohnern noch einmal des Verstorbenen gedacht wird. In dieser Zeit bis zur Beerdigung, wenn der Tote in einer Institution oder auch zu Hause aufgebahrt ist,  können kleine, einfache Rituale den Abschied erleichtern und zur Gestaltung der Abschiedsrituale können Lieder sehr bereichern und hilfreich sein.

 

Beerdigung

Bei der Beerdigung ist das Singen von Liedern wiederum ein wesentlicher Bestandteil der Rituale. Für die Menschen, die in den Traditionen der Kirche  zu Hause sind, können die ihnen bekannten Gesänge und Rituale  sehr hilfreich und tröstlich sein. Alle, die nicht einer religiösen  Tradition folgen, haben erst mal keine ihnen vertrauten und zugehörigen Abschiedsformen und sie müssen  ihre eigenen, individuellen  Rituale entwickeln, um einen persönlichen Abschied zu gestalten. Hierzu braucht es Mut und Initiative, eine Form zu finden, die zu dem Verstorbenen sowie zu den Hinterbliebenen passt. Die Gestaltung der Abschiedsfeier  kann ein wichtiger Schritt auf dem Trauerweg sein. Ich selbst erlebte es des Öfteren, wie durch die Mitgestaltung von Beerdigungen ich meinen eigenen Trauerprozess begann und es gut war, etwas tun zu können, das beim Abschied half.

Diese erste Zeit nach dem Tod eines lieben Menschen, die Januszeit, beinhaltet eine ständige Auseinandersetzung damit, dass etwas war und nicht mehr ist, dass der Tod die geliebte Person weggenommen hat. Der Schmerz nimmt zu und die Verzweiflung an allem, was nicht mehr ist. Die Sehnsucht ist groß und manchmal auch die Todessehnsucht, um dem geliebten Verstorbenen zu folgen. Es muss ein Weg gefunden werden, mit der neuen Wirklichkeit zu leben. Denn das Leben geht weiter und der Trauernde muss funktionieren. z.B. in der Arbeit oder bei der Versorgung der Kinder. Andererseits braucht er Raum und Zeit für seine Trauer, um zu fühlen, zu reden über dass, was er vermisst, Raum und Zeit um sich zu erinnern und seine Trauer auszudrücken. In diesem Spannungsfeld zwischen Trauer ausdrücken können und im Alltag funktionieren befindet sich der trauernde Mensch in der Januszeit.

Die Labyrinthzeit

Die Labyrinthzeit ist die Zeit zwischen Abschied und Neuintegration. Der Trauernde lernt mehr und mehr mit dem Verlust zu leben, er erlebt diese Zeit aber oft als Irrgarten. Der Weg führt manchmal zur Mitte, dann aber wieder von ihr weg. Diese Zeit kann mehrere Monate oder auch Jahre dauern, bis der Verlust des geliebten Menschen integriert ist. In dieser Zeit realisiert der Trauernde nicht nur, was ihm jetzt fehlt, was für ihn verloren gegangen ist und nie wiederkommt,- sondern er lernt auch, dass der Mensch, der gestorben ist, etwas hinterlassen hat, dass er durch ihn etwas gewonnen und gelernt hat, das er etwas behalten hat, das bleibt. Der Trauernde beginnt, die Samen der Beziehung zu ernten. Es ist wie beim Dreschen auch immer wieder ein schmerzhafter Prozess,- doch es bleibt etwas zurück, was nur durch diese spezifische Beziehung in das Leben gekommen ist.

In dieser Zeit lernt der Trauernde, sich an alles zu erinnern, vielleicht seine Schuldgefühle anzusehen, nach Hilfe zu fragen (in dieser Zeit ist eine Trauergruppe oft eine gute Stütze und Möglichkeit, das Erlebte zu verarbeiten), sich von Dingen zu trennen (z.B. den Kleiden des Verstorbenen), sich mit seinem zerstörten Gottesbild auseinanderzusetzen, den Alltag wieder zu bewältigen

Sie lernen, dass sie es aushalten können, mit diesem Verlust zu leben und dabei auch mit ihrem eigenen Schmerzen  und Ängsten, Alleinsein oder Schuldgefühlen umgehen zu können. Sie lernen, dass das Leben weitergeht und die traurigen Zeiten sein dürfen. Dass sie aber auch wieder sich dem Leben zuwenden können. Sie lernen, durch dieses Labyrinth oder Chaos hindurchzugehen und das sich nach und nach etwas ordnet. Sie erfahren, dass der Schmerz, die Trauer, die Angst, das Alleinsein weniger wird und das sie immer wieder zur Mitte kommen.

Dadurch, dass der Trauernde diese Zeit durchlebt, wird er stärker. Er spürt mehr und mehr seine eigene Kraft, dass er es schaffen kann mit dieser Lücke zu leben. Die Lücke bleibt, aber durch sie bleibt er auch mit dem Verstorbenen verbunden. Etwas von dem Verstorbenen bleibt im Leben des Trauernden.

Zunächst: Es gibt nichts,
was die Abwesenheit eines lebenden Menschen ersetzen kann,
und man sollte es auch garnicht versuchen,
man muss es einfach aushalten und durchhalten.
Das klingt zunächst sehr hart, aber es ist doch zugleich ein grosser Trost,
denn, indem die Lücke unausgefüllt bleibt,
bleibt man durch sie miteinander verbunden.
Es ist verkehrt, wenn man sagt,
Gott füllt die Lücke aus, er füllt sie garnicht aus,
sondern er hält sie vielmehr
gerade unausgefüllt und hilft uns dadurch,
unsere alte Gemeinschaft miteinander –
wenn auch unter Schmerzen-
zu bewahren.
–Dietrich Bonhoeffer–

Die trauernden Menschen erleben, dass sie auch jetzt noch mit ihren geliebten Verstorbenen verbunden sein können. Jörg Zink drückt das mit diesen Worten sehr treffend aus:

„Unsere Lieben wachsen,
wenn sie gegangen sind,
in uns hinein-
werden Teil von uns
geben uns ihre Liebe und Kraft.
Und am Ende bewahren wir sie unsichtbar in uns“

Der bekannte Familientherapeut Bert Hellinger, vermittelt  bei seinen systhemischen Familienaufstellungen: „Die grösste Kraft und Unterstützung, das grösste Wohlwollen kommt von den Toten“. Mein Kind Verena schrieb mit 7 Jahren meiner Freundin zum Tod ihrer Mutter auf eine Karte: „Behalte was von deiner Mutter“

Darum geht es in der Labyrinthzeit. Der Trauernde lernt, die Verbindung zu dem Verstorbenen zu halten und zu bewahren. Der Schmerz und die Trauer, die zu Beginn kaum auszuhalten waren, „Ich weiß  nicht, wie ich mit diesem Schmerz weiterleben soll“ ,verwandelt sich in einen Schmerz, der auszuhalten ist.“Es tut weh und ich lebe weiter“, „Es ist alles schwer, aber ich kann es schaffen, damit zu leben“. Rainer Maria Rilke schreibt in einem Brief an Kappus, dass es darum geht, mit den Fragen zu leben:

„Ich möchte Sie, so gut ich es kann, bitten, Geduld zu haben gegen alles Ungelöste in ihrem Herzen und zu versuchen, die Fragen selbst liebzuhaben wie verschlossene Stuben und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Forschen Sie jetzt nicht nach den Antworten, die Ihnen nicht gegeben werden können, weil Sie sie nicht leben können.Und es handelt sich darum, alles zu leben .Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines Tages in die Antwort hinein.“  –Rainer Maria Rilke 

Etwas verwandelt sich in dem Trauernden, wenn  er alles durchlebt, annimmt und hindurchgeht. Im „idealen“ Verlauf der Trauer spüren die Menschen, dass sie in ihrer Trauer weiterschreiten, dass sie lernen, wachsen, reifen. Dieses Neue in das Leben hineinlassen geschieht in der Labyrinthzeit.

 

Die Regenbogenzeit

In der Regenbogenzeit lernen die Trauernden den Verlust in ihr Leben zu integrieren. Es ist ein Teil seines Lebens geworden, dass der geliebte Mensch nicht mehr da ist. Doch er erfährt:   Ich lebe ich weiter und lerne wieder zu lachen,  mich zu freuen, mich zu öffnen für Neues. Das Traurige, Schmerzhafte steht neben dem Freudigen, Schönem. Alles hat seine Zeit. Wie der Regenbogen, der so wunderschön am Himmel erscheint, nur entsteht, wenn Regen und Sonne zusammen kommen, so ist auch mein Leben Licht und Schatten, Hoffnung und Angst, Sterben und Leben,… Alles gehört zusammen, ist das Leben. Es ist mein ureigener Weg, den ich gehe und aus allem, was mir widerfährt, was ich durchgehe, kann ich wachsen und lernen.“ Ein „ideales“ Ziel der Trauerarbeit ist, dass der Trauernde dankbar sein kann, für das, was er durch die verlorene Beziehung gewonnen und für sein Leben gelernt hat und er kann spüren, dass er daran nicht zerbricht, dass der Mensch nun nicht mehr da ist. Das ist letztlich der Kernpunkt der Regenbogenzeit

Viele der Fährfrauen Abschiedslieder erinnern daran, dass hinter den Wolken die Sonne scheint. Die inneren Botschaften der Lieder erinnern daran, dass unser Seelengrund sich immer in einem Zustand heiterer Gelassenheit befindet. Folgen wir ihren Botschaften, zeigen sie uns die Sonne hinter den Wolken. Folgendes Gedicht drückt aus, was meine Aufgabe , mein Ziel ist, wenn ich mit Gruppen singe und diese Lieder vermittel. Singen, trotz des Schweren, auch im Dunkel von der Sonne singen, die immer da ist.

Ich will nicht leugnen die Dunkelheit,
aber auch nicht das Sonnenlicht.
Singen will ich in die Dunkelheit,
von der Sonne ein Lied.
Anne Steinwart

 

Gedanken zum Schluss

Zum Abschluss der Arbeit möchte ich noch einige Gedanken von Rilke zitieren, die deutlich machen, dass die Trauer ein lebendiger Prozess ist und das es möglich ist, auch in und nach der schmerzlichen Zeit einen Sinn zu erkennen:

Die Zeit tröstet ja nicht, wie man oberflächlich sagt, sie räumt höchstens ein, sie ordnet… Nicht sich hinwegtrösten wollen über einen Verlust, müsste unser Instinkt sein, vielmehr müsste es unsere tiefe, schmerzhafte Neugierde werden, ihn ganz zu erforschen, die Besonderheit gerade dieses Verlustes, seine Wirkung innerhalb unseres Lebens zu erfahren… dies ist  dann unendliche Leistung, die alles Negative , das dem Schmerz anhaftet, alle Trägheit und Nachgiebigkeit, die immer einen Teil des Schmerzes ausmacht, überwindet, dies ist tätiger, innen – wirkender Schmerz, der einzige, der Sinn hat und unser würdig ist.
– Rainer Maria Rilke

Hiermit möchte ich nun meine Arbeit schließen
Das Erleben von Tod und Trauer hat mich selber immer auch lebendiger und wacher gemacht  und mich gemahnt  und daran erinnert: Das Leben ist endlich! Lebe endlich! Nutze die Zeit! Lebe! Jetzt! Ganz! Dein eigenes Leben!

Ich danke Allen, durch die ich diese Erfahrungen mit der Endlichkeit des Lebens machen durfte.

Danke an das Leben, das mich zu diesen Themen und den wertvollen Begegnungen mit dem Sterben und dem Tod geführt hat.

Danke an Ruthmarijke Smeding für die Ausbildung zur Trauerbegleiterin.