RITUALE BEIM ABSCHIED & IN DER TRAUER

Ein Beitrag von Alwine Deege zur persönlichen Gestaltung von individuellen Abschieds- und Trauerritualen

Der Tod im Wandel

Die Industrialisierung und der medizinische Fortschritt haben mit ihren gesellschaftlichen Auswirkungen den Tod aus der Mitte des Lebens, in dem er früher gestanden hat, weitgehend verdrängt. Ganz selbstverständlich waren früher gewisse Handlungen und Rituale, die den Menschen Trost und Stütze gegeben haben und die von einer möglichst langen Nähe zum Verstorbenen geprägt waren. Der Mensch war in seinem Schmerz nicht alleingelassen, sondern aufgefangen von einer Tradition, die aber heute durch die Vereinzelung in der Gesellschaft unserer Zeit weitgehend in Vergessenheit geraten ist.

Doch andererseits ist auch spürbar:

„Immer mehr Menschen, vor Allem Frauen, setzen sich heute bewusst mit dem Sterben auseinander. Sie bereiten sich mitten im Leben auf ihren Tod vor, machen sich Gedanken über ihre Beisetzung, die Trauerfeier oder ihr Grabmal und suchen Alternativen zu traditionellen Bestattungsriten und zum normierten Ablauf herkömmlicher Abschiedszeremonien. Von der Tabuisierung des Todes kann inzwischen nicht mehr generell die Rede sein. Viele Menschen wollen sich mit dem Woher und Wohin ihres Lebens auseinandersetzen und sehen darin eine Bereicherung ihres Lebens. Sie haben sich in den letzten Jahren aufgemacht und zu einer neuen Sterbe – und Gedenkkultur beigetragen.“ (Aus Schwester Tod , Köselverlag S. 14-15)

 

Abschieds- und Trauerrituale

Abschiedsrituale hat es immer gegeben. Sie sind Bestandteil des menschlichen Lebens und begleiten uns ein Leben lang. Rituale können helfen, Verluste in unserem Leben zu verschmerzen und Geborgenheit und Vertrauen zu finden. Sie können eine Verbundenheit mit anderen Menschen und zugleich mit unserem individuellen Lebensweg herstellen sowie Geist, Herz und Seele bereichern.

Trauerrituale können uns in traurigen Zeiten tragen, trösten, Hoffnung schenken und uns innerlich stärken. Sie öffnen die Herzen und erinnern an die Einheit allen Lebens. Sie verbinden uns mit anderen Menschen und können uns Gemeinschaft erfahren lassen, denn sie geben dem manchmal „Unsagbaren“ einen Ausdruck. Aber wir verfügen nicht mehr selbstverständlich über verbindliche Trauerrituale, sowie die Menschen in früheren Zeiten und bei anderen Kulturen, die zum Teil noch bis heute Orientierung bei der Unsicherheit im Umgang mit dem Tod haben.

Rituale zu allen Zeiten und in allen Kulturen

Sie können eine sehr wertvolle Brücke sein für Übergänge zwischen Leben und Tod, zwischen Verzweiflung und Hoffnung, zwischen der Abwehr eines Prozesses und dem wachsenden Einverständnis, zwischen dem Gefühl der Einsamkeit und dem Erspüren der Verbundenheit, zwischen der Absurdität und dem Erleben von Sinn. Rituale können vielschichtige Bedeutungen haben und auf vielen Ebenen helfen, wesentliche Übergänge tiefer zu erleben und den Verlust eines lieben Menschen zu verarbeiten. Sie schaffen Verhaltenssicherheit, der festgelegte Ablauf hilft und entlastet den Betroffenen in einer oft sehr chaotischen, emotionalen Zeit.

Rituale reduzieren Angst, sie helfen den Bereich des Vertrauten zu verlassen und unbekanntes „Gelände“ zu betreten. Sie mildern diese Angst und Unsicherheit und geben neue Orientierung, was zu tun ist. Einerseits fördern manche Elemente wie z. B. Musik und Texte oder persönlich gesprochene Worte beim Begräbnis den Ausdruck von Emotionen und Trauernde können die Tränen fließen lassen. Doch andererseits muss man sich auch wieder fassen, weil das Ritual weitergeht.

Gemeinsam erlebte Rituale solidarisieren und lassen durch das entstehende Gemeinschaftsgefühl erfahren „Ich bin nicht allein mit meiner Trauer“.

Rituale vermögen eine Verbindung oder Brücke zur geistigen Welt zu schaffen. Dabei ist es so wichtig, dass die Symbole, Worte, die Musik und Lieder den Jenseitsvorstellungen oder Überzeugungen des Verstorbenen und/oder der Hinterbliebenen entspricht und in einer Sprache vermittelt werden, die sie verstehen.

Bausteine für die Gestaltung eines Trauerrituals

Um ein Ritual zu gestalten braucht es verschiedene Elemente, die wie Bausteine zusammengesetzt werden können. Die verschiedenen menschlichen Ebenen werden angesprochen: die soziale, emotionale, körperliche und geistige/spirituelle Ebene. Nur durch emotionale und möglichst auch handelnde Berührung und Beteiligung kann das Ritual wirken. Folgende Bausteine für die Gestaltung eines Trauerrituals möchte ich auf der Homepage mori aufzeigen. Ich habe vielfältige Beispiele und Ideen gesammelt zu den Bereichen Musik, Lieder zum Selbersingen, Texte, Symbole. Damit möchte ich Menschen, die einen Abschied vorbereiten und selbst mitgestalten möchten, unterschiedlichste Impulse geben, um ihr ganz eigenes Abschiedsritual zusammen zustellen. Dabei habe ich sowohl weltliche wie auch religiöse Beiträge gesammelt. Aus einem großen Schatz von Trauermusiken, Hoffnungs- und Trostliedern, Symbolen und Trauer, – und Trosttexten kann der Besucher der Homepage mori das für sich passende, individuelle und personenbezogene Element heraussuchen und in einen Ablaufplan z. B. der Trauerfeier zusammenfügen.

So kann er selbst kreativ werden und etwas tun, um zu einem würdigen Abschiedsritual beizutragen, mit dem er sich selbst identifizieren kann. Er kann ein Ritual schaffen, das Platz für Gemeinschaft und Individualität bietet. Auch wichtige Eckpunkte zur Durchführung des Rituals, ob mit Priester, Trauerredner oder von einem Freund geleitet, findet der Ratsuchende hier bei mori.

Persönlich und individuell

Um diesen wichtigen Bereich des Lebens wieder aus der Entfremdung zurückzuholen und mit ihm umgehen zu lernen braucht es Ermutigung, Anleitung und Hilfestellung. Der würdevolle Umgang mit Toten in unserer Gesellschaft ist mein Anliegen. Dabei möchte ich als Bildungsreferentin mit meiner Seminararbeit und mit der Homepage mori an die Fülle des Brauchtums und ihrer herkömmlichen traditionellen Rituale erinnern, über die unsere Kultur seit alters her verfügt. Wir können sie wieder ganz neu mit Leben und Sinn erfüllen, wenn wir sie auf eine persönliche und individuelle Weise gestalten und feiern.

Ich habe in den langjährigen Erfahrungen mit trauernden und sterbenden Menschen erfahren, wie einzigartig und einmalig jeder Abschied und der Umgang damit ist. Und so wie jeder Mensch ganz auf seine eigene Art gelebt hat – sollte er auch am Lebensende auf seine ihm entsprechende Art verabschiedet werden.

Früher haben die Kirchen meistens den Abschiedsritus bestimmt und die Bestatter haben alle Aufgaben rund um den Tod übernommen. Die Menschen konnten dem Priester die Gestaltung der Abschiedsfeier überlassen. Doch für immer weniger Menschen können die kirchlichen Rituale hilfreich sein und sie in dieser schweren Zeit tragen, weil sie nicht mehr ihren Glaubensvorstellungen entsprechen und Antwort auf ihre Fragen geben.

 

Symbole

Die vorgegebenen und traditionsreichen Symbole und Rituale werden nicht mehr von Allen verstanden, sie werden hinterfragt oder auch abgelehnt, sie erscheinen für manche Menschen sinnentleert und sind deshalb ungeeignet, um als Kraftquelle für den Einzelnen zu dienen. So braucht es für viele trauernde Angehörige ganz neue und selbst gestaltete Rituale, die ihnen helfen, die Tatsache des Todes anzunehmen und zu begreifen. Dabei sollten sowohl die Wünsche und Vorstellungen des Verstorbenen berücksichtigt werden sowie auch die Bedürfnisse der Zurückbleibenden. Ich möchte mit der Homepage mori dahingehend Mut machen, ganz eigene Abschiedsrituale zu entdecken und zu gestalten.

 

Eigene Rituale entwerfen

Von der Waschung und Einbalsamierung des Toten, über die feierliche, stille Aufbahrung, die Totenwache, die verschiedenen Formen des Abschieds, von der Totenanzeige bis zur Bestattung und zur Inschrift des Grabmals haben Angehörige vielfältige Möglichkeiten, die letzten Tage mit dem Verstorbenen liebevoll und in Würde zu gestalten. Ich möchte Menschen daran erinnern und inspirieren, dass sie ganz eigene Rituale entwerfen können, die für den konstruktiven Umgang mit Abschied und Tod dann eine große Bedeutung haben und eine Kraftquelle sein können.

Hier auf den Seiten von mori möchte ich dazu inspirieren und vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten aufzeigen um den trauernden Angehörigen durch die schwierige und schmerzhafte Zeit des Abschiednehmens zu geleiten. Inspiriert wurde ich dabei besonders von Petra Hugo. Ich schätze ihre Arbeit sehr: 

Petra Hugo

Petra Hugo ist Fachfrau für die Gestaltung der besonderen Zeit zwischen Tod und Beerdigung und bildet Bestatter und TrauerbegleiterInnen aus. Sie trägt seit vielen Jahren zu der Entwicklung einer neuen, kreativen Trauerkultur bei.

„Diese kostbare und unwiederbringliche Zeit zwischen Tod und Bestattung ist als existentieller Wendepunkt im Leben von Menschen durch eine Reihe von Übergängen in rascher Folge gekennzeichnet. Alle diese Schritte können rituell/zyklisch gestaltet werden, in einem Rituellen Fluss. Rituelle Handlungen und Rituale sind symbolische und tatsächliche Handlungen und Abläufe in diesem „Fluss“ möglichst bewusst durchgeführt und gestaltet: Totenfürsorge, Aufbahrung, Zusammensein mit dem verstorbenen Menschen, Aussegnung, Abholung, Sarggestaltung, Betten im Sarg, Schließung des Sarges. Die Gestaltung der Trauerfeier mit dem Weg zum Grab, der Grablegung, oder der Übergabe an das Feuer im Krematorium, dem Trauermahl, evtl. Abschiedsfest entwickelt sich bestenfalls organisch in der Zeit vom Tod zur Bestattung…“ Petra Hugo  https://www.trauer-wege-leben.de/petra_hugo.html

LITERATUR

Hier einige Bücher, die mich für diesen  Beitrags inspiriert haben: 

Erni Kutter: Schwester Tod – weibliche Trauerkultur. Köselverlag. 2018.

Specht-Tomann, D. Tropper: Zeit des Abschieds: Sterbe- und Trauerbegleitung. Verlag: Königs Furt. 2002.

M. Küpper-Popp, I. Lamp: Rituale und Symbole in der Hospizarbeit. Gütersloher Verlagshaus. 2010.

M. Köster: Den letzten Abschied selbst gestalten. Ch. Links Verlag. 2012.